AUSGANGSPUNKT
Wie in vielen mittleren Großstädten bestimmt auch in Solingen der Leerstand das Bild der ehemals belebten Innenstadt. Onlinehandel und die Nähe zu den rheinischen Großstädten sowie des Ruhrgebiets führen in Solingen zur Schließung vieler Ladenlokale. Verschiedene Initiativen bringen nicht das gewünschte Leben zurück in die Straßen der Stadt. Oft sind in den angemieteten Ladenlokalen lediglich Werke von lokalen Künstler:innen ausgestellt, die der Präsentation und dem Verkauf dienen sollen. Auch wenn dadurch die leeren Räume nicht mehr so trostlos erscheinen: Begegnungen finden hier nicht statt.
IDEE
Hiervon ausgehend entstand die Idee, den leeren Raum durch ein performatives Kunstprojekt zu beleben: Die Sichtbarmachung von Kunst im urbanen Raum und die Schaffung einer Möglichkeit der Präsentation für Künstler:innen. Im Zuge der Corona Pandemie kam das kulturelle Leben in der Öffentlichkeit nahezu vollständig zum Erliegen. Während Theater und Museen ihre Türen geschlossen hielten, waren auch Ausstellungen und Happenings aus der Öffentlichkeit verschwunden. Jetzt, da das Leben im Draußen wieder im Begriff ist loszugehen und Menschen Lust haben, etwas zu erleben, möchte das Projekt diesen Moment nutzen, um die Kunstszene wieder in der Öffentlichkeit zu präsentieren und zu etablieren. Das Projekt gibt Künstler:innen die Möglichkeit, sich und ihre Kunst im Rahmen eines performativen Happenings zu präsentieren.
BEGRIFFLICHKEIT
Ausgehend von seinen soziologischen Betrachtungen unserer modernen Gesellschaft, formuliert Hartmut Rosa den Begriff der Resonanz um das gesellschaftliche Phänomen des Strebens nach zwischenmenschlichen Beziehungen zu erklären.1 Während die sogenannten horizontalen Resonanzachsen erstere Beziehung zwischen zwei oder mehr Menschen beschreiben, liegt die Beziehung zwischen Mensch und Dingen oder Tätigkeiten auf den diagonalen Resonanzachsen. Erfahren Menschen in den Beziehungen beider Achsen einen Widerhall, spricht Rosa von einer gelingenden Beziehung. Dann werden Menschen erreicht, bewegt und berührt. Damit knüpft Rosa an die Tradition der Frankfurter Schule an und präsentiert anstelle einer reinen Gesellschaftskritik ein positiv anzustrebendes Veränderungsziel.2
RESONANZRAUM
Anliegen des Kunstprojektes ist es, einen Raum für Resonanz zu schaffen. Der leblose und leere Raum soll zur Begegnungsstätte werden. Das Schaufenster des leeren Ladenlokals ist Aktionsfläche und Medium zugleich und steht im Zentrum des performativen Akts. Als transparente Leinwand ist es das zentrale Element der Performance. Die entstandene Kulisse verbindet als Medium das Innere des Ladenlokals mit dem Äußeren der Straße und umgekehrt. Durch das Blicken auf und durch das Schaufenster lädt dieses zum Perspektivwechsel ein, erweitert den Blick auf die Wahrnehmung des Geschehens und eröffnet so einen übergreifenden RESONANZRAUM.
Ein Publikum gibt es nicht. Alle Teilnehmenden sind im wörtlichen Sinn Teil des Geschehens und somit Teil der Performance.3 Sie sollen sich selber als partizipative Elemente innerhalb der Performance begreifen, da sie aufgefordert sind, „sich um die Exponate herumzubewegen und mit ihnen zu interagieren, während andere zuschauen“4. Während das Happening selbst zeitlich begrenzt ist, sich durch Flüchtigkeit auszeichnet und sich der Wiederholbarkeit und Konstanz entzieht, soll der Schauplatz temporär erhalten bleiben. Von außen sollen Spuren des vergangenen Moments noch länger sichtbar sein. Mit einer Finissage am Ende der Mietzeit soll das während des Happenings ans Schaufenster Gebrachte feierlich entfernt und gereinigt werden. Dabei blicken die Besucher:innen diesmal aus nur einer Perspektive auf und durch das Schaufenster und erleben so eine weitere, ganz andere Sichtweise.
KUNSTROUTE
Wenngleich mit dem Projekt vorerst einzelne Orte temporär bespielt werden sollen, ist es denkbar, zukünftig eine Vernetzung von einzelnen Schauplätzen zu schaffen. Im Rahmen einer Kunstroute durch Solingen sollen die Standorte verbunden werden.
1 Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. 2. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016.
2 Vgl. dazu Anna Henkel: Positive Dialektik: https://www.soziopolis.de/positive-dialektik.html (abgerufen am 19.05.22).
3 Zur Rolle der Teilnehmenden als Partizipierende vgl. Goffman, Erving, Peter Weber-Schäfer, und Ralf Dahrendorf. Wir alle spielen Theater: die Selbstdarstellung im Alltag. Ungekürzte Taschenbuchausgabe, 17. Auflage. München: Piper, 2017.
4 Fischer-Lichte, Erika. Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005. S.224.